Warum Pinguine so weit wandern

(21.06.2016) An der antarktischen Küste lebt keine einzige Pinguinkolonie in Isolation. Kaiserpinguine bewegen sich rund um den vereisten Kontinent und pflanzen sich miteinander fort.

Dadurch bilden sie eine einzige, rund um den Pol zusammenhängende Population. Obwohl der Großteil der Individuen zur Partnerwahl zum Brüten und für die Aufzucht der Jungen an die eigene Geburtsstätte zurückkehrt, migriert ein gewisser Anteil und siedelt sich bei anderen Kolonien an.

Wie ein internationales ForscherInnenteam entdeckt hat, wird so die volle genetische Durchmischung garantiert. Die Ergebnisse wurden kürzlich im prestigeträchtigen Journal Nature Communications publiziert.


Die gesamte Art der Kaiserpinguine besteht aus einer einzigen, rund um den Pol zusammenhängenden Population

"Wenn eine Pinguinkolonie plötzlich durch ein Naturereignis ausgelöscht wird, wie es zum Beispiel beim Kalben des Mertz-Gletschers passierte, müssen alle betroffenen Pinguine plötzlich gleichzeitig einen neuen Brutplatz finden", erklärt Céline Le Bohec (Centre National de la Recherche Scientifique der Universität Straßburg).

In einer internationalen Forschungszusammenarbeit zwischen Frankreich, Österreich, Italien, Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Monaco und den USA analysierten die WissenschafterInnen große Genom-Datensätze von Kaiserpinguinen, um daraus die genetische Struktur der Art abzuleiten und um die Migration zwischen sechs Kolonien von Kaiserpinguinen besser zu verstehen. Entlang der antarktischen Küste leben manche dieser Kolonien bis zu 8.000 Kilometer voneinander entfernt.

Wenn junge Pinguine die Kolonie in der sie geboren sind zum ersten Mal verlassen, verbringen sie zwei bis drei Jahre unterwegs, bevor sie nach einem Partner zur Paarung suchen. Durch direkte Beobachtung einer bestimmten Kolonie fanden die ForscherInnen heraus, dass 15 bis 20 Prozent der Jungtiere nicht mehr in ihre Geburtskolonie zurückkehren.

"Manche überleben nicht, aber wir wissen, dass ca. fünf Prozent der Jungtiere eine neue Kolonie finden und dort bleiben", so Emiliano Trucchi vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. In manchen Fällen konnten die ForscherInnen einen Rückgang der Anzahl der Tiere in einer Kolonie beobachten.

Bislang dachte man, dass dies an ungünstigen Umweltbedingungen sowie einer hohen Todesrate liegt. Nun hat sich herausgestellt, dass es auch möglich ist, dass sich viele der Tiere einfach eine neue Kolonie gesucht haben.

Da Kaiserpinguine an der Spitze der antarktischen Nahrungskette stehen, reagieren sie besonders sensibel auf Klimaveränderungen und gelten dadurch auch als wichtiger Indikator des sensiblen antarktischen Ökosystems. Bisherige Modelle gingen davon aus, dass die Tiere nicht zwischen den Kolonien migrieren können.

Es sind daher neue Modelle notwendig, um akkurate Vorhersagen über das zukünftige Schicksal dieser Art machen zu können. Die aktuelle Studie zeigt, dass jede einzelne Kolonie auf ein viel größeres genetisches Reservoir zurückgreifen kann als bisher gedacht und die Pinguine sich daher auch besser an Umweltveränderungen anpassen können.

"Genetische Vielfalt ist das Rohmaterial für die Evolution, je vielfältiger, umso besser", so Emiliano Trucchi. In der Tat besteht die gesamte Art dieser Pinguine aus einer einzigen zusammenhängenden Population, weshalb diese Durchmischung von großem Vorteil ist.

Da Kaiserpinguine den antarktischen Kontinent nicht aus eigener Kraft verlassen können, hat die globale Erwärmung insbesondere für sie drastische Konsequenzen. Wenn der Klimawandel weiterhin mit dem momentanen Tempo fortschreitet, könnte den Pinguinen nicht genügend Zeit bleiben sich anzupassen.

Publikation

Robin Cristofari, Giorgio Bertorelle, André Ancel, Andrea Benazzo, Yvon Le Maho, Paul J. Ponganis, Nils Chr Stenseth, Phil N. Trathan, Jason D. Whittington, Enrico Zanetti, Daniel P. Zitterbart, Céline Le Bohec & Emiliano Trucchi (2016) Full circumpolar migration ensures evolutionary unity in the Emperor penguin. Nature Communications, 7, 11842. Published online: 14 June 2016

doi:10.1038/ncomms11842
http://www.nature.com/ncomms/2016/160614/ncomms11842/abs/ncomms11842.html



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