Fehlerhafte Etiketten bei Fisch und Co

(11.10.2016) Senckenberg-Wissenschaftler haben mit Hilfe von DNA-Barcoding die Etikettierung verschiedener Fisch- und Krebsprodukte überprüft.

Sie kommen in ihrer kürzlich im Fachjournal „Science Direct“ veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass von den 118 untersuchten Produkten gut 10 Prozent nicht richtig beschriftet wurden.

Die Angaben in Supermärkten waren dabei exakter als bei lokalen Fischhändlern. Eine falsche Etikettierung kann allergische Reaktionen beim Konsumenten hervorrufen und ist daher mehr als nur ein kommerzieller Betrug am Verbraucher.

Wer im Fischrestaurant einen Seeteufel bestellt, will keinen giftigen Kugelfisch essen – so einfach ist es aus der Sicht des Verbrauchers. „Um dies auch zu gewährleisten, ist eine ordentliche und exakte Etikettierung von Fischprodukten unerlässlich.

Der Verbraucher soll die Möglichkeit haben, beim Kauf nachhaltige sowie gewissenhafte Entscheidungen zu treffen“ erklärt Babett Günther von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven.

Seit 2002 ist die Beschriftung durch die Regelung der Europäische Union Pflicht und wird immer strenger geregelt: Auf einem Fischprodukt müssen jetzt die kommerzielle Bezeichnung des Tieres, die Produktions-/ Fangmethode, das Fanggebiet und die wissenschaftliche Artbezeichnung angegeben werden.

Doch greifen die Vorschriften auch? Bekommen deutsche Verbraucher den Fisch auf den Teller, der auf der Packung angegeben ist? Günther hierzu: „Genau dies wollten wir überprüfen.

Dabei haben wir die Methode des DNA-Barcodings zur schnellen und sicheren Bestimmung von Fisch- und anderen Meerestierarten eingesetzt, erweitert und getestet.“

118 Fisch- und Meeresfrüchte-Produkte hat das Team rund um die Wilhelmshavener Molekularbiologin überprüft. Die untersuchten Waren – frischer und eingelegter Fisch, Konserven, Tiefkühlprodukte sowie Tiernahrung – stammen aus Supermärkten und von lokalen Fischhändlern aus dem Nordwesten Deutschlands.

Dabei setzten sie das sogenannten DNA-Barcoding ein: Anhand genetischer Identifizierungs-Codes, vergleichbar mit dem Strichcode an der Supermarktkasse, wurden die verschiedenen Fischprodukte mit bekannter DNA verglichen.

„Von den untersuchten Proben waren gut 10 Prozent falsch oder irreführend beschriftet“, erläutert Günther. Die Wissenschaftlerin unterscheidet bei der fehlerhaften Auszeichnung zwei Kategorien: Zum einen Meerestiere, die einer anderen Gattung angehören, zum anderen solche, die derselben Gattung, aber unterschiedlichen Arten zuzuordnen sind.

„In Kategorie 1 fällt beispielsweise der Verkauf von Fischen in einem lokalen Fischgeschäft, die als ‚Heilbutt’ (Hippoglossus hippoglossus) gekennzeichnet wurden, aber laut unseren DNA-Analysen zur deutlich kostengünstigeren und unbedrohten Gattung des ‚Schwarzer Heilbutts’ (Reinhardtius hippoglossoides) gehören.“

Im selben Fischgeschäft wurde der angebliche Butterfisch als „Buttermakrele“ (Lepidocybium flavobrunneum) beschriftet. Enthalten war aber ein komplett anderer: der Ölfisch Ruvettus pretiosus – das Fleisch dieses Fisches ist zwar essbar; die enthaltenen Öle können aber zu Magen-Darm-Beschwerden sowie Krämpfen und Kopfschmerzen führen und muss deswegen extra gekennzeichnet werden.

„Überrascht hat uns, dass die Etikettierung in Supermärkten exakter ist als bei den vermeintlichen Profis in den Fischläden“, ergänzt Günther. Weitere Produkte waren für den Verbraucher eindeutig irreführend beschriftet.

Günther hierzu: „Die wenigsten Verbraucher sind ausgebildete Zoologen; man muss darauf vertrauen können, dass wenn Sardellen draufstehen auch Sardellen drin sind. Und dies war leider nicht immer der Fall.“

Obwohl 81 Prozent der untersuchten Produkte anhand von Barcoding auf Artebene zugeordnet werden konnten, hat auch der Einsatz dieser Identifizierungscodes seine Grenzen. Günther hierzu: „Bei Produkten mit vielen verschiedenen Zusatzstoffen, wie Thunfischpizza oder Katzenfutter, ist es schwierig die verwendeten Fische einer Art zu zuordnen, da deren DNA-Signale von anderen tierischen Inhaltsstoffen überlappt werden. Bei diesen Produkten muss mit zusätzlichen genetischen Methoden gearbeitet werden.“

Ein weiteres Problem ist die unexakte Bezeichnung von verschiedenen Garnelenarten, die im Verkauf nach deren Größe, beispielsweise als Riesengarnelen oder Partygarnelen bezeichnet werden.

„Hier bräuchten wir erstmal eine ‚Garnelen-Nomenklatur’ für den kommerziellen Verkauf, um überhaupt wissen zu können, welche Art gemeint ist. Immerhin fallen theoretisch hunderte Arten unter diese Bezeichnung“, fügt die Forscherin hinzu.

Frühere Studien zeigten, dass weltweit bis zu 70 Prozent der angebotenen Fische und Meeresfrüchte falsch etikettiert wurden. Laut einer weiteren aktuellen Studie sind es in Europa derzeit durchschnittlich 4,9 Prozent, in Deutschland bis zu 6,2 Prozent.

„In Deutschland wird jährlich pro Kopf 14,1 Kilogramm Fisch im Schnitt verzehrt. Hinzu kommt die Überfischung der Meere und die zunehmende Konkurrenz in der Hochseefischerei.

Umso wichtiger ist es, eine schnelle und universelle Methode zu finden, um die Kennzeichnung von Meerestierprodukten zu überprüfen, in allen Produktionsschritten und Produkten. Wir haben gezeigt, dass sich das DNA-Barcoding hierfür ausgezeichnet eignet und noch viel Potential bietet“, resümiert Günther.


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