Ausgestorbene Riesenschildkröte – 1000 Jahre alte DNA entschlüsselt

(12.01.2017) Wissenschaftler von Senckenberg und der Universität Potsdam haben das Erbgut der ausgestorbenen Riesenschildkröte Chelonoidis alburyorum untersucht. Dem internationalen Team gelang es erstmalig eine vollständige DNA-Sequenz der tropischen Tiere zu gewinnen.

Das Erbgut offenbart, dass die Bahamas-Schildkröten nahe Verwandte der Galapagos-Schildkröten und der südamerikanischen Chaco-Schildkröten waren. In ihrer heute im Fachjournal der Royal Society of London „Proceedings B“ erschienenen Studie zeigen sie zudem, dass die Tiere vom Menschen ausgerottet wurden.


Von der Riesenschildkröte sind auf den Bahamas nur noch fossile Überreste übrig, die in sogenannten "Blauen Löchern" konserviert wurden.

Vor etwa 1000 Jahren waren die Bahamas noch die Heimat der Riesenschildkröte Chelonoidis alburyorum – dies änderte sich kurz nach der Besiedlung der Inseln durch den Menschen.

„Heute finden wir nur noch fossile Überreste dieser etwa einen halben Meter großen Schildkröten“, erklärt Professor Uwe Fritz, Direktor der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und fährt fort: „Wir haben erstmalig das Erbgut der Bahamas-Schildkröten untersucht und konnten so feststellen, dass diese vor etwa 850 Jahren ausgestorbenen Tiere nahe mit den Galapagos-Schildkröten und den Chaco-Schildkröten aus Südamerika verwandt sind.“

Die nächsten Verwandten dieser Landschildkröten und zweier weiterer südamerikanischer Spezies leben, wie die Ergebnisse der Studie zeigen, erstaunlicherweise in Afrika.

Die untersuchte Schildkrötengruppe muss sich also in der Erdgeschichte mehrfach über die Ozeane hinweg, beispielsweise mit Treibgut, ausgebreitet haben und konnte so von Afrika nach Südamerika und von dort aus auf die Galapagos-Inseln und die Bahamas gelangen.

Mit hoch spezialisierten Labormethoden hat das internationale Team um den Dresdner Wissenschaftler und Professor Michael Hofreiter von der Universität Potsdam erstmals genetische Daten – ein nahezu vollständiges mitochondriales Genom – aus einem 1000 Jahre alten Oberarmknochen der Riesenschildkröte gewonnen und mit heute lebenden Arten verglichen.

Möglich war dies durch eine für die Tropen ungewöhnlich gute Erhaltung der Schildkrötenknochen.

„Die von uns untersuchten Fossilien stammen aus sogenannten ‚Blauen Löchern’ – das sind meerwassergefüllte Karstlöcher, die offenbar eine relativ gute DNA-Konservierung ermöglichen“, erklärt Hofreiter. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Untersuchung der DNA ausgestorbener tropischer Tiere.

Die Riesenschildkröten verschwanden innerhalb weniger Jahre nach der Besiedlung der Bahamas durch den Menschen – lange bevor Kolumbus Amerika entdeckte. Fritz erläutert: „Dies ist ein allgemeines Muster, da auf den Bahamas und Antillen zahlreiche größere Tierarten kurz nach der Ankunft des Menschen verschwanden.

Es zeigt, dass der Mensch auch früher nicht im Einklang mit der Natur lebte, sondern Nahrungsquellen schon immer übermäßig ausbeutete und Lebensräume veränderte.

Heute findet dieser Prozess aber im Vergleich zu früher in einem erschreckenden Tempo statt, so dass der Artenverlust und die Verarmung unserer Umwelt bedrohliche Dimensionen angenommen haben.“

Immerhin kann Erbgut aus den „Blauen Löchern“ in Zukunft helfen, besser zu verstehen, welche Arten schon längst unwiederbringlich verloren gegangen sind und welche Lebensgemeinschaften ohne den Menschen dort vorkommen würden.



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