Antibiotika-Resistenzen in der Diskussion – Welche Lösungen gibt es?

(14.11.2014) Statement von bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz anlässlich der EuroTier 2014-Eröffnungspressekonferenz in Hannover

Der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung, das Management von Antibiotikaresistenzen und die Organisation eines aussagekräftigen Antibiotikamonitorings sind dieser Tage wichtige Fragen für die praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Grund dafür: Die Gefahren für die menschliche Gesundheit durch antibiotikaresistente Keime werden immer drängender.

Wie ernst es steht, zeigt nicht zuletzt, dass Deutschland im nächsten Jahr die „Antimikrobielle Resistenz“ in den Mittelpunkt seiner G7-Präsidentschaft stellen will. Während noch darüber geforscht wird, ob und wie resistente Bakterien zwischen Mensch und Tier weitergegeben werden, ist für die Öffentlichkeit und Politik die Antibiotikamenge für die Selektion resistenter Bakterien das entscheidende Kriterium.

Die Tiermedizin macht man wegen eines vermeintlich zu hohen und unspezifischen Antibiotikaeinsatzes verantwortlich, obwohl die bedenkliche Resistenzlage in der Humanmedizin nachweislich die direkte Folge des seit Jahren überdurchschnittlichen Verschreibungsverhaltens der Humanmediziner ist.

Wie also kann man dem Problem erfolgreich entgegenwirken? Üblicherweise entsteht der Selektionsdruck auf antimikrobielle Resistenzen dort, wo entsprechende Antibiotika zur Anwendung kommen. Als wichtigste Faktoren gelten gleichermaßen in Human- und Tiermedizin mangelhafte Hygiene in Krankenhaus oder Stall, eine zu früh abgebrochene oder zu niedrig dosierte antibiotische Behandlung von menschlichen Patienten oder Tieren und der Einsatz eines nicht wirksamen Antibiotikums auf Grund eines fehlenden Keimnachweises. Eine Antibiotikareduktion allein wird das Problem also nicht lösen, obwohl dies von der Politik und den Medien immer wieder in den Vordergrund gestellt wird.

Nach dem Willen des bpt sollen sich Tierärzte und Ärzte gemeinsam im Sinne des Aktionsplans zur Abwehr der Antibiotikaresistenz der EU-Kommission und der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) für einen restriktiven Einsatz von Antibiotika gemäß Leitlinien unter kontrollierten Bedingungen einsetzen und effektive Lösungen entwickeln, die über die jeweiligen Kanäle an die Tierärzte und Ärzte kommuniziert werden, um für die nötige Achtsamkeit und Verantwortung zu werben. Besonders in der MRSA Problematik aber auch bei der Übertragung anderer resistenter Bakterien ist die Krankenhaushygiene der Schlüssel zum Erfolg. Ihr muss dringend ein höherer Stellenwert eingeräumt werden.

Ziel einer modernen Tiergesundheitspolitik muss es wiederum sein, Krankheiten durch Präventionsmaßnahmen, wie Impfungen, Hygienemaßnahmen, Verbesserung von Haltungsmanagement und Haltungsbedingungen zu vermeiden. Treten trotz aller Anstrengungen Erkrankungen in Tierbeständen auf, muss allerdings der Grundsatz gelten, dass kranke Tiere auch einen Anspruch auf eine Behandlung haben, wenn sie erforderlich ist.

Alles andere wäre nicht mit dem Tierschutz und einer verantwortungsvollen Tierhaltung zu vereinbaren. Der Einsatz von Antibiotika, insbesondere der Reserveantibiotika, sollte jedoch neben der therapeutischen Wirksamkeit auch unter dem Aspekt der möglichen Selektion von antimikrobiellen Resistenzen erfolgen.

Dafür wurde in Deutschland mit dem im Frühjahr in Kraft getretenen 16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (16. AMG-Novelle) ein Antibiotikaminimierungskonzept geschaffen, das nicht nur europaweit, sondern weltweit an der Spitze steht. Für diese Novelle hatte sich der bpt mit Nachdruck eingesetzt, denn durch die neuen gesetzlichen Regelungen wird erstmals die Therapiehäufigkeit mit Antibiotika in den einzelnen Betriebstypen für die Betriebe und die Überwachung erkennbar.

Gleichzeitig können die Tierhalter anhand der bundesweiten Kennzahlen vergleichen, wie ihre betriebsindividuelle Situation zu beurteilen ist und die Behörden erhalten im Sinne einer Risikoorientierung Kenntnis über Betriebe, bei denen Überwachungsmaßnahmen zu prüfen sind. Nach Auffassung unseres Verbandes ist das der richtige Ansatz, um den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung nachhaltig zu reduzieren und damit das Risiko der Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen minimieren zu können. Noch aber ist dieses Minimierungskonzept nicht umgesetzt. Ab Anfang nächsten Jahres soll nach der guten Theorie hoffentlich auch eine gute Praxis folgen.

Umso mehr Gewicht hat zurzeit das umfassende Antibiotikamonitoring in der Geflügel- und Schweinemast, das bereits lange vor dem staatlichen Monitoring auf Initiative des bpt und des Deutschen Bauernverbandes über das privatwirtschaftlich organisierte QS-System aufgebaut wurde und inzwischen bereits 95 Prozent der geflügel- und rund 90 Prozent der schweinehaltenden Betriebe abdeckt. Mit der Auswertung Ende 2014 entsteht damit erstmals ein umfassendes Bild zum Antibiotikaeinsatz bei Geflügel und Schweinen.

Positiv daran: Das QS-Monitoring ermöglicht dem Landwirt und Tierarzt ein echtes Benchmarking, also ein „Lernen von den Besten“. Der Druck der Wertschöpfungskette auf die Vielverbraucher von Antibiotika wird ein Übriges tun. Der bpt ist nicht zuletzt deshalb davon überzeugt, dass die Einführung eines europäischen Antibiotikaverbrauchsmonitorings wichtig wäre. Die jüngst von der Europäischen Kommission vorgestellte Neufassung des Tierarzneimittelrechts sollte in diesem Punkt noch nachgebessert werden.

National wie auf EU-Ebene darf es aber auf keinen Fall Überbietungswettbewerbe zu ehrgeizigen Antibiotika-Reduktionszielen geben. Im Mittelpunkt der Entscheidungen für eine nachhaltige Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs muss die Fachkompetenz stehen. Tiergesundheit muss erhalten bzw. verbessert werden. Dafür müssen grundsätzlich alle Therapiemöglichkeiten einschließlich Umwidmung und Einsatz von Reserveantibiotika bestehen bleiben.

Nur anhand von Ergebnissen eines sinnvollen Monitorings lässt sich der Antibiotikaverbrauch tierschutzgerecht minimieren. Eine verpflichtende tierärztliche Bestandsbetreuung in der Nutztierhaltung durch die Gesetzgebung würde diese Effekte stärken und verstetigen.




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