7. Leipziger Tierärztekongress: Fachtierärzte warnen vor physischen Strafen bei Aggressivität von Kleintieren, Katzen oder Hunden

(17.11.2013) Ob Hunde, Katzen oder Kleintiere – aggressives Verhalten von Tieren gehört zum Alltag in der veterinärmedizinischen  Praxis. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Schutz der Welpen, Kämpfe zwischen Rüden, Rangdemonstration, Frustration, Angst, Schmerzen oder auch das Verteidigen und Erwerben von Ressourcen, genetische Veranlagung sowie mangelndes Wissen auf Seiten der Besitzer gehören zu den Auslösern.

Aktuelle Methoden für die Therapie und Prophylaxe bei verhaltensauffälligen Tieren diskutieren Experten auf dem 7. Leipziger Tierärztekongress vom 16. bis 18. Januar 2014.

„Bei Kaninchen, Meerschweinen, Chinchillas und Ratten ermöglicht nur der Artgenosse ein artgemäßes Verhalten“, erläutert Dr. Dorothea Döring, Fachtierärztin für Verhaltenskunde am Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung an der Ludwig-Maximilians-Universität München in ihren beiden Vorträgen zu den „Aggressionen kleiner Heimtiere“. „Die geeignete Gruppenzusammensetzung ist der Schlüssel zum friedlichen Zusammenleben.“

Jungtiere beispielsweise sollten gemeinsam mit Gleichalten aufwachsen, um ihr Spielverhalten ausüben zu können. Zu den sensiblen Punkten in der Aufzucht der Kleintiere gehörten die Gruppenzusammenstellung und die Eingewöhnung in eine bestehende Gemeinschaft.

Die Expertin empfiehlt bei Kaninchen ein langsames Training unter anderem mit Geruchsaustausch, Annäherung der Käfige und der Umstellung der Fütterung, indem Körner oder Kräcker weggelassen werden.

Erst danach sollte die Zusammensetzung der Tiere auf neutralem Terrain mit ausreichenden Versteckmöglichkeiten erfolgen. „So vermeiden wir Stresssituationen für die Kleintiere und können aggressive Auseinandersetzungen vermeiden“, erklärt Dr. Dorothea Döring.

Auch für Meerschweine gilt, dass die Aufwuchsbedingungen maßgeblich das Sozialverhalten beeinflussen. Allerdings ist die Vergesellschaftung von Neuzugängen bei Meerschweinchen weniger problematisch als bei Kaninchen.

Auch Chinchillas vertragen sich am besten, wenn die Gruppenmitglieder miteinander aufgewachsen sind. Die Integration von Neuzugängen sei extrem schwierig und möglichst zu vermeiden, so die Referentin.

Anders sieht es bei der Haltung von Ratten aus. Durch ein behutsames Begegnen mit Geruchsgewöhnung und vielen Rückzugsmöglichkeiten könnten auch hier Konflikte reduziert werden. In stabilen Gruppen, zum Beispiel gleichgeschlechtlicher Tiere, sind Ratten hochverträglich.

Aggressionen gegen Menschen

„Insbesondere nicht tiergerechte Haltungsbedingungen, Fehler im Umgang mit Tieren, eine ungenügende Sozialisierung beziehungsweise Gewöhnung der Tiere sowie mangelnder Respekt oder Unkenntnis der Tierbedürfnisse führen wiederum zum Fehlverhalten der Tiere gegenüber dem Menschen“, so Dr. Dorothea Döring.

Die Referenten äußern übereinstimmend, dass Menschen auf keinen Fall mit physischen Strafen auf Fehlverhalten der Tiere – egal ob Hunde, Katzen oder Kleintiere – reagieren sollten. Dieses verstärke sowohl die Angst als auch die Aggressionen.

„Ein Gewöhnungstraining kann hingegen zahmes Verhalten fördern“, meint die Expertin. Auch für Dr. Pasquale Piturru, Fachtierarzt für Kleintiere und Verhaltenskunde aus Pinneberg steht fest: „Hunde lassen sich konditionieren. Eine fehlerhafte oder unvollständige Ausbildung des Angstsystems und des Belohnungssystems im Gehirn führt zu einer mangelhaften Angsthemmung und zu übererregbaren Hunden, die als Folge eine übermäßige Aggression zeigen.

Durch die klassische Konditionierung ist es möglich, den Hund so zu beeinflussen, dass er reflexartig aggressiv reagiert oder auch nicht.“ Der Fachtierarzt hält in Leipzig die Vorträge „Umgang mit aggressiven Tieren in der tierärztlichen Praxis“ und „Ursachen und Beeinflussung (Konditionierung) von aggressivem Verhalten“.

Dr. Franziska Kuhne, Fachtierärztin für Tierschutz und Verhaltenskunde, Lehrbeauftragte und Leiterin der AG Tierverhaltenstherapie Fachbereich Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, beleuchtet in ihrem Vortrag das „Aggressive Verhalten von Katzen gegen ihre Besitzer“.

Die Ursachen seien so vielfältig, dass der erste Schritt in der Behandlung der Tiere die Identifizierung der jeweiligen Ursachen und Auslöser sei. Im zweiten Schritt empfiehlt die Expertin eine Desensibilisierung und Gegenkonditionierung. Denkbar sei auch eine medikamentöse Therapie. In jedem Falle sollten die Besitzer miteinbezogen werden, indem sie für die Situation des Tieres sensibilisiert würden.

Unterstützung durch Pharmaka und Zusatzstoffe?

Aus Sicht der Fachtierärztin für Verhaltenskunde, Dr. Angela Bartels, und von Prof. Dr. Dr. Michael Erhard, Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, ist der Einsatz von Psychopharmaka in der Verhaltenstherapie noch immer als ein vermeintlich „unmoralischer“ Weg der Therapie stigmatisiert.

„Die Ursache der Ablehnung stimmungsaufhellender, anxiolytischer und relaxierender Substanzen in der Tiermedizin liegt oft in der Überzeugung vieler Menschen, dass der Besitzer selbst Schuld ist an den Problemen seines Tieres“, erklären die beiden Referenten.

„Zudem sieht der Besitzer den Einsatz dieser Substanzen als Eingeständnis einer Schuld und als Versagen in seinen erzieherischen Bemühungen.“

Für die Verhaltenstherapeuten ist jedoch klar, dass es bestimmte Verhaltensprobleme oder -störungen gibt, die sich zum Teil nur durch den Einsatz von Psychopharmaka beeinflussen lassen. „Indem man zum Beispiel einem Hund die Angst durch medikamentöse Hilfestellung nimmt, wird er erst wieder aufnahmefähig und lernbereit.

Das oberste Ziel des verhaltenstherapeutisch arbeitenden Tierarztes sollte die Verringerung des Leidensdruckes des Tieres sein und rechtfertigt zu diesem Zweck den Einsatz aller, dem Tierarzt zur Verfügung stehenden therapeutischen Mittel“, lautet das Fazit der Experten. Die Therapie setzt sich folglich aus einem Verhaltenstraining und einer medikamentösen Behandlung zusammen.

Details zur Diagnose, Therapie und Prophylaxe von aggressivem Verhalten erfahren Interessierte am 17. Januar, zwischen 9.00 und 17.00 Uhr, in insgesamt zehn Vorträgen zur Verhaltenstherapie von Hunden, Katzen und Kleintieren unter dem Vorsitz von Dr. Franziska Kuhne.




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