Wo der Schuh in der Mutterkuhhaltung drückt

(02.10.2013) 7. Leipziger Tierärztekongress diskutiert Erfolgsfaktoren wie Grünlandbewirtschaftung oder Herdenmanagement

Die Fleischrinderzucht ist in Deutschland eine relativ neue Form der Rinderwirtschaft. Lag im Jahr 1990 der Anteil der Fleischrindkühe am gesamten Kuhbestand bei 0,2 Prozent, sind heute mehr als 10 Prozent des Kuhbestandes Fleischrinder – der überwiegende Anteil davon in Mutterkuhhaltung.

Diese stellt die Landwirtschaft und Veterinärmedizin vor Herausforderungen: Wie können die Gesunderhaltung und Trächtigkeitsraten der Herden unterstützt werden? Welche Vorteile birgt die Grünlandbewirtschaftung bei der Versorgung von Muttertieren? Wie wirkt sich das Weidemanagement auf den Parasitenbefall aus?

Diesen Fragen gehen Experten im Vortragsblock „Mutterkuhhaltung I“ des 7. Leipziger Tierärztekongresses (16. bis 18. Januar 2014) am 18. Januar unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. Dr. Jörg R. Aschenbach, Geschäftsführender Direktor am Institut für Veterinär-Physiologie des Fachbereichs Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin, nach.

Am Beispiel des Marktfruchtbetriebs KÖG Kleinbardau Landwirtschafts GmbH wird deutlich, dass die größten Herausforderungen in der Mutterkuhhaltung bei der Gesunderhaltung und der Trächtigkeitsrate liegen. Diese zwei Aspekte sind für die Wirtschaftlichkeit unumgänglich.

Der Betrieb bei Grimma hat seine Mutterkuhhaltung auf natürlichem Grünland seit 1992 kontinuierlich aufgebaut. Heute werden 150 Mutterkühe mit Nachzucht gehalten. Wie der Geschäftsführer, Gerald Sinkwitz, auf dem kommenden Leipziger Tierärztekongress berichtet, werden die Färsen und Muttertiere vorsorglich vor der Trächtigkeit gegen Bovine Virusdiarrhoe (BVD) immunisiert.

Jährlich erfolgt zudem eine Behandlung gegen Endo- und Ektoparasiten sowie gegen Insekten. Dennoch ist zu beobachten, „dass eine ausreichende Wirkung über einen längeren Zeitraum von Jahr zu Jahr nachlässt und somit mehr Behandlungen pro Jahr durchgeführt werden müssten“.

Der Betrieb besamt jährlich circa 25 Muttertiere künstlich. „Trotz offensichtlich gut gelungener und optimaler Synchronisation der Tiere“, erklärt der Geschäftsführer, „konnten noch keine zufriedenstellenden Trächtigkeitsraten erzielt werden. Unsere Erfolgsquote liegt derzeit noch unter 50 Prozent.“

Mehr Gesundheit und Ertrag durch kluge Grünlandbewirtschaftung und abgestimmtes Herdenmanagement

Mehr Erkrankungen, weniger Trächtigkeit und höhere Sterblichkeitsraten stellt auch Dr. Manfred Golze vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie bei extensiver Weidenutzung fest.

In seinem Vortrag „Grünlandbewirtschaftung als Grundlage für gesunde und optimal versorgte Mutterkühe“ bezieht er die Erfahrungen von 12 Versuchsbetrieben der Universität Leipzig in der Zeit von 1978 bis 1992 und 12 Referenzbetrieben des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfLUG) von 1992 bis 2012 ein. Versuchs- und Referenzbetriebe sind teilweise dieselben.

„Die Erfahrungen zeigen, dass eine Grünlandbewirtschaftung und ein abgestimmtes Herdenmanagement wesentlich zur Leistungs- und Gesundheitssicherung der Tiere beitragen“, erklärt der Experte.

„Die Anforderungen der Rinder müssen mit der Wüchsigkeit der Weide und dem natürlichen Futterangebot harmonisieren.“ Zum Beispiel sollten Mutterkühe mit Kalb bei Fuß auf die wüchsigen Weideflächen getrieben werden, denn bessere Standorte führten zu mehr Kälbern und einer erhöhten Milchleistung.

Darüber hinaus könne die Auswahl der Weide auch dem Parasitenbefall vorbeugen. Mähweiden, also Flächen mit langer Weideruhe, seien etwa durch besonders Parasiten gefährdete Altersgruppen – wie Jungrinder im ersten Weidejahr – zu nutzen.

Die Weideführung und der Besatz spielten bereits bei der Absicherung der Leistung als auch für die Gesundheit eine große Rolle. Die Besatzstärke sei daher den Flächen so anzupassen, dass weder eine Unter- noch eine Überbeweidung auftreten.

„Die verschiedenen Weideverfahren geben dem Landwirt die Möglichkeit, Nährstoffversorgung, Leistung und Infektionsgefahr auszutarieren“, erläutert Dr. Manfred Golze. Geschehe das nicht, entstehe ein ernstzunehmender Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen, der zu geringerer Fruchtbarkeit, Trächtigkeit und Wachstumsleistungen der Herde führe.

In der Folge verschlechtern sich die Vitalität und die Kondition der Tiere, sodass sich das Verlustgeschehen erhöht. „Bei extensiver Weidenutzung sind auch vermehrt Parasitenprobleme und Giftpflanzen feststellbar. Zudem mindert die extensive Aufzucht die Absatzgewichte“, berichtet Dr. Manfred Golze.

Für ihn ist klar: „Je besser das Weideverfahren dem Betrieb und dem Standort angepasst wird, um so höher ist die Nutzung des Grünlandes als Futterlieferant für hohe Leistungen und beste Tiergesundheit.

Die vorhandenen Tierbestände sind entsprechend Rasse, Genotyp und Kategorie exakt zu planen und den Weideflächen zuzuordnen. Dabei sind das Herdenmanagement und die spezifische Betreuung von großer Bedeutung.

Eine dichte Grasnarbe und ein hoher Anteil wertvoller Gräser müssten zur Verfügung stehen und auf die Parasitenprophylaxe, die Versorgung mit Spurenelementen und Mineralstoffen und die Kontrolle der Weiden auf Giftpflanzen und andere Schadwirkungen ist zu achten.“

Gezieltes Weidemanagement vermindert Infektionsdruck

Auch Arwid Daugschies, Direktor des Instituts für Parasitologie am Zentrum für Infektionsmedizin der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig sieht einen engen Zusammenhang zwischen den Haltungsbedingungen und dem Parasitenbefall bei Mutterkühen.

In seinem Vortrag „Parasitenbekämpfung bei Mutterkühen“ erklärt er, dass ausgewachsene Kühe zumeist bereits immunisiert sind. Sie beherbergen aber Parasiten und können infektiöse Ausscheidungen in erheblichen Mengen abgeben. Um eine Übertragung zu vermeiden, sei grundsätzlich eine Trennung von latent infizierten Kühen und Jungtieren sinnvoll.

Allerdings bietet eine gemeinsame Haltung von Mutter und Kalb eine Reihe anderer Vorteile. Im Falle einer gemeinsamen Haltung könne das Jungtier eine protektive Immunität aufbauen ohne klinisch zu erkranken.

Außerdem entfernen die immunen Mutterkühe mit dem Grasverzehr einen Großteil der auf der Weide befindlichen infektiösen Ausscheidungen und vermindern so den Infektionsdruck auf die Kälber.

„Der Infektionsdruck sowohl bei Kokzidien- als auch bei Wurminfektionen kann begrenzt werden, indem eine wechselnde Nutzung der Weide erfolgt“, erläutert Prof. Daugschies.

Im Vorjahr durch Mutterkühe genutzte Flächen könnten beispielsweise im Folgejahr zunächst für die Gewinnung von Grassilage oder Heu genutzt werden, bevor erneut Mutterkühe im Mittsommer auf die dann sauberen Flächen getrieben werden.

Im Frühjahr sind dem Experten zufolge möglichst solche Flächen als Weide zu verwenden, auf denen in der zweiten Hälfte des Vorjahres keine Rinder gehalten wurden.

Kommt es dennoch zum Ausbruch parasitologischer Erkrankungen, sei im Einzelfall schon aus Gründen des Tierwohls eine gezielte Therapie notwendig. „Unter angemessenen weide- und stallhygienischen Bedingungen sollten klinische Verläufe jedoch nicht oder nur selten vorkommen“, betont der Institutsdirektor.

www.tieraerztekongress.de




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